
Historische Festspiele in Altdorf b. Nürnberg
27.06. - 27.07.2025

Gesprochen von Jan Andree
Altdorf b. Nürnberg, 1631
An meinen geschätzten ehemaligen Schüler, Herr Magister Leopold,
Mit großem Zögern setze ich mich an diesen Brief, denn ich weiß nicht, ob er dich erreichen wird. Ich weiß nicht einmal, ob du noch lebst. Doch in diesen düsteren Zeiten ist das Wort das Einzige, was uns geblieben ist, und so schreibe ich dir, in der Hoffnung, dass du irgendwo in Sicherheit bist.
Die Universität ist nicht mehr, was sie einst war. Die Hörsäle sind leer, die Bücher verstauben oder sind längst geplündert. Viele meiner Kollegen sind fort – einige flohen, andere fielen der Pest zum Opfer, wieder andere wurden von marodierenden Truppen erschlagen, weil sie zu lange an ihren Schriften festhielten, statt um ihr Leben zu rennen. Ich bleibe, doch wofür? Was ist eine Universität ohne Studenten, eine Bibliothek ohne Leser?
Du hättest sehen sollen, wie der Krieg unsere Stadt verändert hat. Einst war sie ein Ort des Wissens, nun ist sie ein Schatten ihrer selbst. Die Straßen, auf denen wir einst über Aristoteles und die Heilige Schrift debattierten, sind nun von Hungernden und Bettlern gefüllt. Kein Geistlicher, kein Gelehrter kann gegen das Schwert bestehen. Die Wissenschaft hat hier keinen Platz mehr, nur noch die Gewalt regiert.
Manchmal frage ich mich, ob all unsere Studien vergebens waren. Wir suchten nach Erkenntnis, nach Ordnung in Gottes Schöpfung – doch was nützen uns Logik und Rhetorik, wenn rohe Gewalt jede Vernunft erstickt? Was nützen die Lehren der großen Philosophen, wenn die Welt um uns brennt? Ich sehe nur noch Menschen, die vergessen haben, dass sie einmal mehr waren als Tiere.
Und doch – ich klammere mich an die Hoffnung, dass dieser Wahnsinn eines Tages endet. Dass es wieder eine Zeit geben wird, in der Studenten zurückkehren, in der der Klang der Vorlesungen wieder durch unsere Hallen dringt. Vielleicht wirst auch du eines Tages zurückkehren. Vielleicht wirst du als Lehrer wiederkommen, um das weiterzugeben, was wir einst als wertvoll erachteten.
Lass mich wissen, ob du noch bist. Und wenn du kannst – lies weiter. Lerne weiter. Denn wenn dieser Krieg eines Tages endet, wird das Wissen das Einzige sein, das uns noch von den Barbaren unterscheidet.
Möge Gott dich beschützen, mein Schüler.
Professor Johannes Reuchlin
Hinweis: Die fiktiven Briefe und Bildelemente wurden mithilfe von KI erstellt und anschließend kuratiert.


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